Hollywoods harter Kerl: Harvey Keitel wird 85

VonSimeon Scholz

13. Mai 2024
Harvey Keitel wird 85 Jahre alt. Foto: Jordan Strauss/Invision/AP/dpaHarvey Keitel wird 85 Jahre alt. Foto: Jordan Strauss/Invision/AP/dpa

Noch vor wenigen Wochen stand Harvey Keitel wieder mal in Hollywoods Rampenlicht – Doch das nicht allein. Seite an Seite mit seinen «Pulp Fiction»- Kollegen Uma Thurman, John Travolta und Samuel L. Jackson feierte er Mitte April in dem berühmten TCL Chinese Theatre das 30. Jubiläum des Kultstreifens von Quentin Tarantino.

1994, also vor ziemlich genau 30 Jahren holte der Regisseur für den Gangsterfilm im Drogen- und Killermilieu von Los Angeles ein heute legendäres Star-Ensemble vor die Kamera. Die schwarze Komödie mit ihren lakonischen Dialogen und brutaler Action machte alle Beteiligten darin nicht nur unsterblich, sondern gewann schon damals in Cannes die Goldene Palme.

Keitel, der heute 85 Jahre alt wird, spielte in Tarantinos damals erst zweiten Film den Helfer eines Mafiabosses, der Verbrechen vertuschen muss. Als «Der Wolf», der Probleme löst, betritt Keitel die Szenerie und treibt die beiden etwas dümmlichen Killer Vincent und Jules (John Travolta und Samuel L. Jackson) dazu an, ein blutverschmiertes Auto zu säubern und alle Leichenteile zu entsorgen. Tarantino und Keitel arbeiteten schon zuvor zusammen. In Tarantinos Erstlingsfilm «Reservoir Dogs – Wilde Hunde» (1992) spielte Keitel einen kaltblütigen Verbrecher.

Mal Bösewicht, mal Liebhaber

Keitel war nicht nur wie geschaffen für die Bösewicht-Rolle, er perfektionierte sie. Mit seinem leicht verwitterten Gesicht, der knorrigen Nase, Stirnfurche und einem grimmigen Blick zählte er entsprechend lange zu Hollywoods Idealbesetzung für korrupte Polizisten, abgebrühten Verbrechern und frustrierten, gewalttätigen Männern. Eine erfolgreiche Karriere war ihm so sicher. In Martin Scorseses «Taxi Driver» (1976) spielte er einen brutalen Zuhälter, in «Die letzte Versuchung Christi» (1988) den verräterische Judas, in «Bad Lieutenant» (1992) einen Cop, der mit Drogen dealt.

Als wahrer Künstler legte er aber auch darauf Wert andere Seiten von sich zu zeigen. In Jane Campions Romanze «Das Piano» (1993) bewies Keitel in einer seltenen Liebhaberrolle seine Wandlungsfähigkeit. Holly Hunter spielte damals seine Partnerin, eine stumme Engländerin, die im 19. Jahrhundert eine leidenschaftliche Affäre in Neuseeland beginnt.

Auch noch im höheren Alter ist Keitel weiterhin aktiv und gab sich in einem seiner jüngeren Filme ganz melancholisch an der Seite von Michael Caine in «Ewige Jugend» (2015). Regie führte der italienische Oscar-Preisträger Paolo Sorrentino, der Keitel und Cane als zwei alte Freunde in einem Schweizer Berghotel über die glücklichen Momente des Lebens sinnieren ließ. Keitel war sich auch nicht zu schade für lustige Rollen. Mit niemand geringerem als Robert De Niro bewies er seinen Humor in dem Comedy-Drama «The Comedian» – oder als tätowierter Gefangener namens Ludwig in Wes Andersons beliebter Tragikomödie «Grand Budapest Hotel».

Neues Projekt

Und die Reise des Ausnahme-Schauspielers ist immer noch nicht zu Ende. Zu seinem 85. Geburtstag meldet sich Keitel mit einer wieder ungewöhnlicheren Rolle in der sechsteiligen Serie «The Tattooist of Auschwitz» (in Deutschland ab 8. Mai bei Sky zu sehen) zurück. Die Mini-Serie beruht auf den wahren Erlebnissen des slowakischen Juden Lale Sokolov und basiert auf den Bestseller «Der Tätowierer von Auschwitz: Die wahre Geschichte des Lale Sokolov» (2018) der neuseeländischen Autorin Heather Morris.

Das Leben von Lale Sokolov erzählt eine bewegende Geschichte über die menschliche Widerstandsfähigkeit und einem unvergleichlichen Überlebenswillen unter den extremsten Bedingungen. 1942 kam Sokolov in das Vernichtungslager der Nazis und wurde dort dazu verpflichtet, die Identifikationsnummern auf die Arme seiner Mithäftlinge zu tätowieren. Eben dort lernte er auch seine spätere Frau Gita kennen. Erst im Alter von weit über 80 Jahren vertraute der Witwer später seine Geschichte der Schriftstellerin Morris an. Keitel spielt in der Serie den ergrauten Holocaust-Überlebenden, der auf sein Leben zurückblickt.

Keitel selbst wurde 1939 als jüngstes Kind jüdischer Einwanderer aus Polen und Rumänien in New York geboren und lernte später sein Schauspiel-Handwerk im legendären Actors Studio von Lee Strasberg. Seine erste Erfahrung sammelte er zunächst in Dutzenden Rollen auf Bühnen und trat auch am Broadway auf.

Der Karriereweg

Seinen Einstieg ins Filmgeschäft kann er vor allem Martin Scorsese verdanken. Eine einfache Zeitungsanzeige brachte sie zusammen. Keitel, damals noch ein junger, unbekannter Schauspieler meldete sich damals im Jahre 1967 auf eine Annonce beim nicht weniger bekannter Regie-Student Scorsese. Der noch namenlose Student suchte Darsteller für seinen ersten Spielfilm «Wer klopft denn da an meine Tür?», erinnerte sich Keitel 2016 auf dem Filmfest in Locarno, wo er mit dem «Lifetime Achievement Award» für sein Lebenswerk geehrt wurde. Nach einigen Proben habe er die Rolle bekommen.

Weitere Filme der beiden sollten folgen. Nach «Hexenkessel» (1973), «Alice lebt hier nicht mehr» (1974), «Taxi Driver» (1976) und «Die letzte Versuchung Christi» (1988) – holte Scorsese den Darsteller 2019 für seinen Mafiathriller «The Irishman» wieder in seinen Cast. Etwas gealtert, aber nicht weniger solide wie in den früheren Jahren glänzte Keitel an der Seite von Robert De Niro, Al Pacino und Joe Pesci in der Rolle des Italo-Gangsters Angelo Bruno, dem Boss eines Mafia-Clans in Philadelphia.

Einen Oscar blieb Keitel in seiner langen Filmkarriere bisher aber noch aus. Lediglich einmal war er für den höchsten Preis Hollywoods nominiert – Damals 1992 in der Rolle des Gangsters Mickey Cohen in dem Mafia-Film «Bugsy».

Das private Glück blieb Keitel als dreifacher Vater dafür nicht verwehrt. Aus seiner langjährigen Beziehung mit der Schauspielerin Lorraine Bracco ging Tochter Stella hervor. Seinen ersten Sohn durfte er 2001 mit seiner damaligen Freundin begrüßen und noch im selben Jahr heiratete er die kanadische Schauspielerin Daphna Kastner, mit der er ebenfalls einen Sohn bekam.

Quellen: Mit Material der dpa.