In der Raumfahrt zählt jedes Gramm – und jeder Tropfen Treibstoff. Doch was, wenn ein Teil davon schon vor dem Start ins All verdampft? Genau dieses Problem beschäftigt derzeit nicht nur die NASA, sondern auch das private Raumfahrtunternehmen SpaceX. Ein Forscher am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) arbeitet nun an einer Lösung, die nicht nur für Raketen, sondern auch für Rechenzentren auf der Erde von Bedeutung sein könnte.
Quenching: Ein altbekanntes Phänomen neu gedacht
Marco Graffiedi, Doktorand am MIT-Institut für Nuklearwissenschaften, untersucht laut einem Bericht von MIT News ein physikalisches Phänomen namens „Quenching“ – zu Deutsch etwa „Löschung“. Dabei handelt es sich um einen Prozess, bei dem Wärme extrem schnell von einer Oberfläche abgeleitet wird. In der Industrie ist das Verfahren bekannt, etwa beim Härten von Metallen. Graffiedi wolle es jedoch für ganz neue Anwendungen nutzbar machen: für die Kühlung von Raumfahrzeugen, Nuklearreaktoren und Hochleistungsrechnern.
Besonders im All sei effiziente Kühlung entscheidend. Dort würden kryogene Treibstoffe – also extrem kalte, flüssige Gase – durch kleinste Temperaturschwankungen verdampfen. Das führe zu Druckaufbau in den Tanks und erfordere das Ablassen von Gas, was wiederum wertvollen Treibstoff koste. Die NASA, die Graffiedis Forschung finanziert, wolle genau dieses Problem lösen, heißt es im Bericht von MIT News.
Graffiedi konzentriere sich dabei auf den sogenannten Leidenfrost-Effekt. Dieser tritt auf, wenn eine Flüssigkeit auf einer heißen Oberfläche eine isolierende Dampfblase bildet, die die Wärmeübertragung behindert. Ziel sei es, diese Dampfblase möglichst schnell zum Kollabieren zu bringen, um die Kühlung zu verbessern. Gelinge dies, könnten Raumfahrzeuge wie SpaceX’ „Starship“ künftig effizienter im Orbit betankt werden.
Auch auf der Erde gefragt: Kühlung für Rechenzentren
Doch Graffiedis Forschung beschränke sich nicht auf die Raumfahrt. Wie Interesting Engineering berichtet, arbeite er auch an neuen Kühlmethoden für Rechenzentren. Diese verbrauchen immer mehr Energie – laut einer Analyse der Investmentbank Goldman Sachs könnte der Strombedarf durch Künstliche Intelligenz bis 2030 um bis zu 165 Prozent steigen. Um dem entgegenzuwirken, untersuche Graffiedi sogenannte Immersionskühlung mit dielektrischen Flüssigkeiten. Diese nicht leitenden Flüssigkeiten verdampfen bei Kontakt mit heißen Bauteilen und führen so Wärme ab.
Ein Problem dabei sei die sogenannte kritische Wärmeflussdichte – also die Grenze, ab der die Flüssigkeit nicht mehr effizient kühlt. In einer aktuellen Studie im Fachjournal Applied Thermal Engineering habe Graffiedi gezeigt, dass sich diese Grenze durch starke elektrische Felder erhöhen lasse. Das ermögliche eine effektive Kühlung auch ohne Schwerkraft – etwa in Elektrofahrzeugen oder im All.
Raumfahrt und Rechenzentren: Gemeinsam auf der Suche nach Kälte
Die Nachfrage nach besseren Kühlsystemen sei groß – sowohl bei Raumfahrtunternehmen wie SpaceX als auch bei Technologiekonzernen. Zwar gebe es laut Interesting Engineering Überlegungen, Rechenzentren künftig ins All zu verlagern, doch sei diese Technologie noch nicht ausgereift. Bis dahin bleibe die Entwicklung effizienter Kühlsysteme auf der Erde entscheidend.
Für SpaceX ist das Thema besonders dringlich: Das Unternehmen soll im Auftrag der NASA das „Starship“ für die geplante Mondlandung der Artemis-III-Mission bereitstellen. Dafür müsse das Raumschiff jedoch im All betankt werden können – ein Vorgang, der bisher an der Verdampfung des Treibstoffs scheitere. Ein geplanter Testflug zur Betankung im Orbit wurde bereits auf 2026 verschoben.

